Südafrika in Österreich
11. April 2015
EINE LANZE FÜR SÜDAFRIKA BRECHEN
Benefiz-Konzert | 11.04.2015 | von Christoph Irrgeher (Wiener Zeitung)
Johan Botha singt im Wiener Konzerthaus Ohrwürmer für ein neues Spital - und spricht im Interview über seine Heimat.
Wien. Ein Freund von Interviews ist er nicht. "Ich lasse meine Stimme auf der Bühne sprechen. Das ist meine PR", sagt Johan Botha. Keine Frage, auf diese Schallmacht kann er vertrauen: Der wuchtige Heldentenor des Südafrikaners begeistert regelmäßig an den großen Opernbühnen. Dass sich Botha ungern näher an Journalisten heranwagt, hat aber auch mit gewissen Erlebnissen zu tun. "Ich habe", blickt der 49-Jährige zurück, "in meinem Leben schon ein paar Probleme nach Interviews gekriegt." Man hätte ihm die Worte so "gedreht", dass er danach "eher eine Entschuldigung schreiben musste, als dass es mir gut getan hat".
Geboren, um zu unterhalten
Derzeit macht Botha ein paar Ausnahmen. Der Grund: Ein Benefizkonzert für sein Heimatland, genauer gesagt für ein Kinderspital, das in Johannesburg entstehen soll. Der Sänger gibt dafür am 20. April, gemeinsam mit der jungen Landsmännin Pretty Yende, einen Galaauftritt im Konzerthaus. Begleitet vom Wiener Kammerorchester, servieren der Tenor und die aufsteigende Sopranistin Ohrwürmer aus Operetten und italienischen Opern. Der Wagner-Star ausnahmsweise als Sprachrohr süffiger Melodien? Botha: "Pretty Yende macht derzeit eine Bombenkarriere, steht aber noch relativ am Anfang"; er dagegen arbeite schon deutlich länger. "Das Repertoire, das ich singen kann, ist darum nicht das gleiche. Wir haben uns in New York getroffen und über das Programm geredet. Dabei wollten wir vor allem Musik wählen, die in Österreich beliebt ist."
Unterhaltung spielt bei dem Konzert, das Nelson Mandela gewidmet ist, also die erste Geige - verständlich, will man im Namen der guten Sache doch möglichst viel Geld sammeln. Botha hat aber auch sonst kein Problem mit dem Wort. "Für mich geht es immer um Entertainment. Dafür bin ich geboren worden. Mit fünf habe ich meinem Vater gesagt, ich will Opernsänger werden, mit zehn habe ich angefangen, Gesangsunterricht zu nehmen." Der Rest ist, wenn man so will, Operngeschichte: 1990 ist der junge Sänger nach Europa, vorerst Deutschland, gezogen; auf die ersten Engagements folgte bald die Weltkarriere. Heute hat der Globetrotter und Stimmgigant seinen Hauptwohnsitz in Wien.
Aber nochmals zurück in das Jahr 1990: Das Ende der Apartheid zeichnete sich in Südafrika ab. Wie hat der heranwachsende Sänger dieses System erlebt? "Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, hatte auch schwarze Freunde. Ich konnte nicht gegen das System ankämpfen, sonst wäre ich im Gefängnis gelandet." Das hätte ihn nicht zuletzt seine Karriere gekostet: "Ich musste meinen Polizeiregisterauszug sauber halten - er war das Erste, wonach ich in Europa gefragt worden bin."
Mandelas große Geste
Der Politiker und spätere Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela ist bis 1990 hinter Gittern gesessen. Botha bewundert ihn nicht nur für den Sieg über die Rassentrennung. "Mandela kam aus dem Gefängnis und hat all jenen vergeben, die ihm das angetan haben. Er hätte auch sagen können: ‚So, jetzt machen wir Bürgerkrieg und drängen die Weißen aus dem Land.‘" Ein Prachtbeispiel für Mandelas Friedenswerk: das Finale der Rugby-WM in Südafrika 1995. Botha weiß noch heute, wo er damals war: am Frankfurter Flughafen. Und er erinnert sich an die Bilder: Wie Mandela, der neue Präsident, bei einer Veranstaltung mitfiebert, die bisher als Sport der Unterdrücker galt. Wie er dabei ein Dress der Heimmannschaft trug. Botha: "Die Kamera war ständig auf ihn gerichtet; man sah, wie Mandela reagierte, wenn das Team einen Punkt machte." Und was er schließlich tat, als diese hellhäutige Mannschaft siegte. "Unglaublich, wie er dem Team den Pokal überreicht hat."
Natürlich - alles konnte diese große Integrationsfigur in ihrem Land nicht zum Guten wenden. Ein unerfüllter Traum Mandelas blieb etwa das erwähnte Kinderspital, für das Botha und Yende nun singen. "In ganz Afrika gibt es nur vier reine Kinderspitäler", klagt der Tenor. Zwar stehe eines davon im Inland, nämlich in Kapstadt. "Aber wenn man von Johannesburg aus dorthin fährt, sind das 1300 Kilometer."
Überlebenskampf der Opern
Nun ist ein Netz an Krankenhäusern natürlich wichtiger als eine funktionierende Opernszene. Dennoch: Wie geht es jenen Bühnen, die das Phänomen Botha hervorgebracht haben? An einen regelmäßigen Betrieb der fünf Häuser in Südafrika sei nicht zu denken, sagt Botha. Von seinem Repertoire ganz zu schweigen: "Wenn ich als Wagner- und Strauss-Spezialist in Südafrika leben müsste, hätte ich ein klägliches Dasein. Alle sechs, sieben Jahre ist genug Geld da für eine Wagner-Oper." Die Bühne von Kapstadt führe überhaupt einen "erbitterten Überlebenskampf". Natürlich: "Es wäre schön, nach Südafrika zurückzukehren, um dort die Oper aufzubauen. Aber das Problem ist: Wenn man Millionen in eine Kultur investieren müsste, die eigentlich aus Europa kommt, und man um dieses Geld auch Häuser für die Menschen bauen könnte: Was wird dann wohl geschehen? Man kann es verstehen."
Bleibt jedenfalls zu hoffen, dass der Traum vom Kinderkrankenhaus Realität wird - und dass Bothas Opernkünste beim Benefizkonzert dabei helfen. Karten dafür sind weiterhin zu haben.