South Africa in Austria

21. March 2015

WIE MAN EINER IKONE FOLGT

21.03.2015 | von Teresa Schaur-Wünsch (Die Presse)

Was bleibt von Nelson Mandela? Monumentale Statuen, kreative Jugendliche, ein hoch spezialisiertes Kinderspital für das südliche Afrika: eine Spurensuche in Johannesburg.

Haben Sie Allergien? Unverträglichkeiten? Brauchen Sie vielleicht Sonnenschutz? Tourguide Jeff steht in seinem Büro in einem Jugendzentrum und fragt, was ein professioneller Tourguide fragen muss. Dann bringt er einem die wichtigsten Grüße bei – „Grüßen ist wichtig in Alexandra“ – und dann geht es los, mitten hinein in eine der berüchtigsten Townships von Johannesburg: Ein labyrinthartiges Gewirr von winzigen Baracken, Kinder umringen die Besucher, man bekommt Umqombothi, selbst gebrautes Maisbier, und mit Chili gegrillte Hühnerfüße zu kosten. Und dann, unversehens, steht man vor einem kleinen Haus. Hier, sagt Jeff, sei Nelson Mandelas erste Station gewesen, als er einst nach Johannesburg kam.

Das Haus ist bewohnt, nur eine Tafel erinnert an den berühmten Bewohner. Gegenüber prangt sein Konterfei auf einer Wand – Werbung der lokalen Radiostation. Ein Museum jenseits der Straße steht seit Jahren unfertig da.

Es ist eine von unzähligen Stellen, an denen man hier Nelson Mandela begegnet. Direkt neben Alexandra liegt Sandton, ein Nobelviertel mit einem luxuriösen Hotel- und Shoppingparadies. Benannt? Nach Mandela, monumentale Sechsmeterstatue inklusive. „Alex“ und Sandton sind berühmt: für größtmögliche Ungleichheit auf kleinstem Raum.


Baustelle. Dann gibt es Soweto. Mandelas dortiges Wohnhaus ist heute ein Museum, die Straße eine kleine Touristenattraktion. Oder Houghton, eines jener Viertel mit Villen unter Palmen, die sich hinter meterhohen Mauern mit elektrischen Zäunen verstecken. Dort liegt Mandelas letzte Wohnstätte. Bunte Steine mit Grußbotschaften zeugen von der Zeit, als er im Sterben lag.

Die letzte Station, die es zu besichtigen gäbe, die hat Mandela nicht mehr erlebt. Noch ist sie eine riesige Baustelle, auf der sich Rohbauten aus Wolken feinen, roten Staubs erheben: das Nelson Mandela Children's Hospital. Es sei sein letzter Wunsch gewesen, sagt Nana Magomola, die stellvertretende Vorsitzende von Mandelas Kinderstiftung. Sie sitzt mit zwei Mitstreiterinnen in ihrem Büro, vor der Tür des ehemaligen Privathauses plätschert ein Springbrunnen, Ibisse wandern durch die grünen Büsche im Garten. Alle Kinder sind wichtig, lautet hier die Philosophie. Schließlich könne man nie wissen, wer der nächste Mandela sein wird.

100 Millionen US-Dollar soll das hoch spezialisierte Kinderspital kosten, 40 fehlen noch. Insgesamt gibt es nur vier solcher Einrichtungen in ganz Afrika. Vor allem im Süden, sagt Magomola, fehle die Expertise. Die soll nun hier angesiedelt, Kinderärzte und Krankenschwestern ausgebildet werden. Füllen sollen die Betten schwer kranke Kinder aus dem ganzen südlichen Afrika.


Mi Casa. Dafür läuft eine globale wie lokale Fundraising-Kampagne, selbst Kinder tragen bei. Unterstützt wird der Bau auch von Künstlern. Etwa von Mi Casa. Die House-Band, bestehend aus einem weißen Sänger und zwei schwarzen aus den Townships, hat mehrfaches Platin eingefahren, war in Europa und halb Afrika auf Tour, hat 2012 beim Amtsantritt von Barack Obama gespielt. „Ohne arrogant wirken zu wollen, glaube ich, dass wir eine der größten Gruppen Afrikas sind“, sagt Sänger Joao Fonseca alias JSomething. Das Ziel? „Weltberühmt werden. Nicht wegen der Mädchen und des Geldes. Sondern damit wir Einfluss nehmen können. Wie Mandela gesagt hat: Wenn man das Land verändern will, muss man die Jugend erreichen.“ Allein die Gemischt- heit von Mi Casa sei ein Zeichen. „Wir machen Musik, die eine positive Botschaft hat. Und dieses Spital ist auch ein Zeichen gemeinsamer Anstrengung. Es soll Kindern Hoffnung geben.“

Unterstützung kommt auch aus Österreich: Am 20. April geben die südafrikanischen Opernsänger Johan Botha und Pretty Yende ein Benefizkonzert im Wiener Konzerthaus. Auch Yvonne Chaka Chaka, die „Princess of Africa“, trommelt. Die Kaugummipop- und Anti-Apartheidslegende der Achtziger feiert gerade ihr 30-Jahr-Bühnen-Jubiläum. Sie habe, erzählt sie, heute noch die Narben von den Wunden aus ihrer Kindheit, als weiße Buben die Hunde auf sie gehetzt haben. Wütend sei sie gewesen, als Mandela endlich aus dem Gefängnis kam – und Versöhnung statt Rache predigte. „Aber er hatte recht. Das Land hätte vor die Hunde gehen können.“

Mandelas großes Erbe – darum kümmert man sich in einem modernen, flachen Holzbau. Das Originalbüro am Sitz der Mandela Foundation ist unangetastet, eine Ausstellung zeigt Fotos, Briefe, den Nobelpreis. Aber nicht nur: Man leiste etwa Dialogarbeit, sagt Direktor Sello Hatang: Mit Ländern von Deutschland über Serbien bis Kambod- scha sucht er Wege, nach Konflikten wieder zusammenzufinden. Auch die durch Armut geförderte Xenophobie, die in Südafrika aufflammt, ist Thema. Und die Gretchenfrage: „Wie kann man sich an Madiba erinnern, ohne ihn zur Ikone zu machen? Ikonen haben das Problem, dass man ihrem Beispiel schwer folgen kann.“


Alexandra. „Natürlich ist Mandela eine Ikone“, sagt Jeff, der Guide in Alexandra. Der 24-Jährige ist in der Township aufgewachsen, hat es an die Uni geschafft, studiert Tourismus. „Als ich mich vorgestellt habe, haben alle gefragt, ob ich heute schon eine Schießerei gesehen habe.“ Seither führt er Interessierte durch seine Nachbarschaft, viele Johannesburger betreten sie zum ersten Mal. Der einzige Zwischenfall sei der Asthmaanfall eines Gastes gewesen, versichert er. Er sieht es als seine Aufgabe, die Kluft überwinden zu helfen. „Die Leute hier sind offen. Sie wollen einfach wissen, woher man kommt und was man dort zu Abend isst.“

Compliance-Hinweis:
Die Reise erfolgte auf Einladung der südafrikanischen Botschaft.

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